Montag, 28. Juni 2010
Die Idee (s. auch weitere Themen + www.pösel.de)
Die Idee 6/10

Ist die kleine Welt um mich herum der Maßstab? Sehe ich die Dinge falsch? Hat sich mein Blick verfälscht oder verfärbt? Erst aus einer gewissen Entfernung mit dem nötigen Abstand ergeben sich auf diese Fragen vielleicht neue Antworten. Um den Überblick zu behalten oder nicht zu verlieren bin ich oft auf einen alles überragenden Turm usw. gestiegen. Erst aus einem veränderten Blickwinkel eröffnen sich einem immer neue Einsichten. Eine Erkenntnis, die ich auf meinen vielen Radtouren gewonnen habe (Berlin – Kopenhagen, Passau – Wien oder Rund um den Bodensee usw.). Diesmal wollte ich nicht nur eine kurze Pauschalreise machen, sondern Land und Leute auf anderen Kontinenten wirklich kennenlernen.

Von dem, was du erkennen und messen willst, musst du Abschied nehmen, wenigstens auf eine Zeit.
Erst wenn du die Stadt verlassen hast, siehst du, wie hoch sich ihre Türme über die Häuser erheben.
(Friedrich Nietzsche, Dichter und Philosoph neben Marx und einsamer Rebell zwischen Genie und Wahnsinn, für die einen reaktionärer Zerstörer der Vernunft, für den anderen Aufklärer alteuropäischer Traditionen.)


Nietsche in Naumburg

Nicht nur Abenteuerlust ließ den Gedanken an eine Weltreise reifen. Etwa 3 Jahre vor Abreise las ich in meiner Zeitung von 2 jungen Frauen, die sich nach dem Studium aufgemacht haben, die Welt zu bereisen. Mein leiser Gedanke: Das wär`s doch. Ich war reif für Neues. Ich wollte nach einem vollen Berufsleben aussteigen aus den Verpflichtungen, denen man sich als Selbstständiger nicht nur freiwillig selbst und ständig unterziehen muss. Mein Beruf (s. www.sv-poesel.de) hat mir immer Spaß gemacht. Ich gehörte zur „verlorenen Generation“, die in der DDR auf dem Weg war, Verantwortung zu übernehmen. Um meine Ziele zu verwirklichen musste ich viel investieren und nach der Wende ins kalte Wasser springen und noch einmal von vorn beginnen. Staatliche Hilfe war dabei nicht mehr zu erwarten. Aber das folgende, erzwungene Drum und Dran, insbesondere die von Ämtern geforderten Formalitäten haben für mich als Einzelkämpfer das Berufsleben mitunter zur Hölle gemacht. Das waren nicht nur die Auftraggeber die z.B. für ihren Auftrag nicht zahlen wollten, sondern insbesondere das Finanzamt, Ämter im Allgemeinen, Berufsverbände, die nur Gebühren eintreiben, Firmen welche Dienstleistungen erbringen sollten, aber nur Abzocke praktizieren, und auch sonst nie zu erreichen sind, aber auch Banken, Polizeipräsidenten, Ordnungsämter, Gerichte, Anwälte usw. usw. Diese Einrichtungen führen in der Summe dazu, dass sich alles nur noch um sich selber dreht, und der Wunsch das Hamsterrad zu verlassen, immer größer wird. Dazu ein Beispiel, von dem ich das Ergebnis erst nach 10 Monaten Reise erfahren habe: Siehe im Blog zum Thema Sonstiges: "Deutschland lässt grüßen".
Anwälte und Richter dieser Welt vertreten oftmals Geier, die das Recht für ihre Interessen gegen dich nutzen. Mitarbeiter in Ämtern dieser Welt, auch die, die für Soziales zuständig sind, sind Maschinen, die Menschen nicht in die Augen sehen, sondern nur in ihre Vorschriften, und das oftmals nicht einmal richtig. Sie bilden sich ein der Nabel der Welt zu sein und stellen unmenschliche Forderungen an ihre von ihnen abhängige Klientel. Gegen die Arroganz der Macht ist man oft machtlos. Selten mal, dass man einen ihrer Vorgesetzten antrifft, die zu menschlichen Regungen fähig sind und Gesamtzusammenhänge einschätzen können. Gleichwohl ist mir bewusst, dass die mitunter falsch eingesetzte Intelligenz nur Gesetze umsetzt. Für alles verantwortliche Politiker kann man zwar wählen aber nicht zur Rede stellen. Den Obersten von ihnen, den Kanzler der Einheit, hätte ich fast mal getroffen, kurz nach der Angliederung. Er lief über einen im Osten von Berlin oft gefilmte Platz mit seiner Gattin und 2 Personenschützer (bzw. neudeutsch: Bodyguard) am frühen Morgen über den noch menschenleeren Fußgängerweg mit grüner Ampel. Ich konnte gerade nicht winken, weil ich zu tun hatte, das Auto ordnungsgemäß zum Halten zu bringen. Nicht auszudenken, wenn mir das nicht gelungen wäre. Mein Sohn konnte die Bedeutung dieses Moments noch nicht erfassen und wird sich nicht erinnern. Aber Spaß beiseite und zurück zum Thema.
Der körperliche und geistige Kraftaufwand im Beruf als Einzelkämpfer am Ball zu bleiben, ist derart groß, dass so gut wie keine Zeit mehr bleibt, sich um sich selbst und um gesellschaftliche Probleme zu kümmern. Sachverständige müssen auf ihrem Fachgebiet über überdurchschnittliche Fachkenntnisse verfügen und diese ständig mit hohem finanziellen und zeitlichen Aufwand aktualisieren. Die Kehrseite ist, dass die Gefahr zum Fachidioten zu werden sehr groß ist, nicht nur in diesem Berufszweig. Noch größer ist die Gefahr auf eine geistige Schmalspurbahn zu geraten, d.h. politische Vorgänge in der Gesellschaft nicht mehr bewerten zu können oder zu wollen. Wessis waren zudem erpicht darauf „ihren“ (meinen) Berufsverband „sauber“ zu halten. Dazu missbrauchte so ein Vogel von ihnen sein Amt, um öffentliche Bestellung z.B. für Sachverständige aus dem Osten Deutschlands zu verhindern. D.h. verstecktes Berufsverbot über die Hintertür einer fachlichen Prüfung (siehe dazu auch zum Thema: Seine Weltsicht: „Exklusive Machtverhältnisse von Eliten“). Dass es dabei auch um ihre „saubere“ Ideologie geht, lässt sich schwer nachweisen. In diesem Umfeld konnte ich von keiner geistigen Verwandtschaft ausgehen. Es war höchste Zeit dort auszusteigen. Ich wollte raus aus dem Dschungel der Rituale, aus einer Welt gefangen in den selbst gestrickten Gesetzen, Verordnungen und Verabredungen, aus denen man sich kaum mehr befreien kann.
Nicht zuletzt stand der riesige Aufwand an Arbeitszeit, den als Alleinkämpfer geführten Betrieb aufrecht zu erhalten, kaum noch im Verhältnis zum Ergebnis, d.h. zu den Einnahmen nach Abzug der Betriebsausgaben und Steuern. In Deutschland wird Leistung einerseits höchstens entschädigt statt angemessen honoriert. Andererseits ist Leistung keine Voraussetzung, um Millionen anzuhäufen. So viel kann man gar nicht leisten, um als Einzelner Milliarden anzuraffen (siehe dazu auch zum Thema: Seine Weltsicht nach der Reise: „Armes oder reiches Deutschland“). Ich musste für das, was ich verdient habe, immer hart arbeiten. Habe ich was falsch gemacht?
Politik kann nichts mehr regeln, Soziales, Umwelt usw. usw. geraten aus den Fugen. Mein Ansinnen auszusteigen, zumindest zeitweilig, wurde zunehmend stärker. Vielleicht war ich auch schon dem Burnout-Syndrom verfallen, in dem sich Symptome wie Erschöpfung, Ineffizienz und zunehmende emotionale Distanz zum Beruf einstellen. Ein Alleinkämpfer im Beruf leidet mitunter an mangelnden zwischenmenschlichen Beziehungen. Die einzige Anerkennung ist die, für seine Leistung entschädigt zu werden, ohne auffällig geworden zu sein (keine Gerichtsverfahren wegen fehlerhafter Gutachten usw.).
Nicht zuletzt hat mir sehr zu denken gegeben, als meine Schwester viel zu jung verstarb. Sie würde noch leben, wenn sie rechtzeitig ausgestiegen wäre, wie ich ihr geraten habe. Der Leistungsdruck, insbesondere der Druck trotz Alters immer Büro-technisch auf der Höhe zu sein, Poltisches Gerangel um Macht, bis hin zu Mobbing am Arbeitsplatz war zu groß, ohne dass gesundheitliche Schäden ausblieben. Sie wollte ihren wohlverdienten Lebensabend genießen und arbeitete für die Rente. Die konnte sie nicht mehr in Anspruch nehmen. Das kann nicht der Sinn eines Arbeitslebens sein. Ich konnte mit 60 in Rente gehen und will die Zeit nutzen. Aber Rente (in Deutschland gibt es ja auch Strafrente für ausgesuchte Ossis) ist wieder ein Thema für sich. Die Änderung von Lebenseinstellungen und –erwartungen führten langsam dazu, zu sagen „ich bin dann mal weg“.
Seine Träume muss man sich erfüllen, solange man es noch kann. Ich nutze die Rente quasi als Bafög und studiere das Leben und feile an meiner Weltsicht.

Siehe weiter im Blog links oben unter Navigation, bzw. Themen

- Die Vorbereitung

- Die Reiseroute, geplant und realisiert

- Die Reiseabschnitte:
Russland
Mongolei
Zentralasien
Iran, Türkei, Dubai, China
Nahost, Nordafrika

- Seine Weltsicht
- Seine Weltsicht nach der Reise

- Sonstiges:
Lustig ist das Travellerleben
Traveller aller Länder…. usw.

- Das wars

- Wir im Bild (hier wird noch am Text gearbeitet)

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