Freitag, 24. Juni 2011
Das wars
Das war´s …… noch lange nicht

Eindrücke und Erfahrungen nach der Reise 6/11 + 12/11 + 2/12

Nach 344 Tagen und rd. 41.730 km im eigenen Auto zurück, zu Hause, in der Heimat. Endlich! Endlich? Das Gefühl lange weg gewesen zu sein, stellt sich nicht ein. Für mich soll demnächst Weltreise Teil 2 folgen, Barbara muss wieder arbeiten. Genaues ist noch nicht ausgereift, schaun wir mal.
Da wir unsere Wohnungen vermietet, freigezogen und eingemottet hatten, galt es nach der Rückkehr sich erst einmal um die Einrichtung einer neuen Wohnung zu kümmern. Entsetzlich die vielen Kisten, die sich nach vielen Jahren in so einem Haushalt angesammelt haben. Noch schlimmer die vielen Kisten aus 2 zusammenzuführenden Haushalten, die nach der Reise wieder ausgepackt werden müssen. Erste wichtige Erkenntnis aus der Reise: Man kann auch mit sehr viel weniger glücklich sein. Zweite große Erkenntnis: Mit dem zunehmenden Abstand wird alles, was vorher mal sehr wichtig zu sein schien, sehr unwichtig. Z.B. steht da eine Kiste mit Post, die eine gute Seele für mich das Jahr über gesammelt hat. Das ganz und gar Unwichtige (schon von außen erkennbare Werbung) wurde schon mal aussortiert. Aber auch der Rest muss erst mal warten. Es ist schon toll zu spüren, wie unwichtig das scheinbar vorher so Wichtige geworden ist. Dazu gehört der Briefkasten, den so wie so nur unliebsame Institutionen missbrauchen, um das für sie Wichtige auszuschütten. Man kann sehr gut leben ohne Briefkasten, ohne den Stress und Ärger den Ämter, Finanzämter, Polizeipräsidenten, Rechtsverdreher usw. usw. dort hinterlassen. Freunde und Bekannte nutzen den Briefkasten eher weniger.
Wir haben uns eine sehr schöne Wohnung eingerichtet, sehr ruhig im Grünen mit großer Dachterrasse. Es fehlt an Nichts. Langsam ergibt es sich, wenn dann alles wieder senkrecht steht, dass man seinen Interessen nachgehen kann, was in einem Hamsterrad wie im Vorreisezustand nicht möglich war. Mit zunehmender Tendenz grüßt aber auch wieder das Murmeltier, das unterwegs fast ausgestorben war. Je mehr es grüßt vermisse ich das Reisen, auf dem kaum ein Tag wie der andere ist. Durch Reisen wird eine unruhige Natur beruhigt und der Entdeckerdrang befriedigt. Unterwegs gibt es keinen vermeintlichen Stillstand, man entflieht dem Hamsterrad, in dem man sich noch so sehr mühen kann, ohne dass sich ein spürbarer Erfolg einstellt. Ich vermisse die Hektik ganz anderer Art, den positiven Stress, die gesunde Entschleunigung bei ständiger Fortbewegung. Unterwegs sein heißt immer auf den nächsten Tag gespannt sein, ohne zu wissen wo man genau am Abend landet. Gespannt sein auf neue überwältigende Landschaften, auf neue Abenteuer, auf interessante Bekanntschaften, oder sogar auf neue Freunde. Immer auf der Suche nach Freiheit und Identität, bei gleichzeitiger Ungewissheit, wie man unerwartete Probleme lösen wird.

Die Lösung der Probleme vereinfacht sich mit der Vergrößerung der Entfernung.
(Else Pannek, www.narzissenleuchten.de)

Das Erlebte bleibt eine Schatztruhe der Seele, die man für kein Geld der Welt kaufen kann. Befreit von unglaublich vielen Vorurteilen und Klischees, die man auf so einer Reise abbaut, lässt es sich leichter leben. Die eigene Sicht auf die Welt ist klarer geworden.
Der Erfahrungsschatz, von dem man lange zehren kann, ist gewachsen. Die Gewissheit, es geschafft zu haben, was anfangs utopisch erschien, macht stark. Ich gebe auch unumwunden zu, dass das mit Stolz verbunden ist. Weiter gebe ich zu, dass man sich dieses Gefühl auch holen kann, ohne eine Weltreise zu machen. Man muss es nur machen, was auch immer. Reisen ist nicht die Voraussetzung, aber ein sehr gutes Mittel seine eigene Weltsicht zu erweitern, wertvolle Selbsterkenntnisse zu gewinnen und sich selbst zu prägen.


Wir werden immer wieder gefragt:
Ist eine Weltreise bezahlbar?
Typische Antwort eines Juristen wäre: Es kommt darauf an. Als Asien-Reisender kann ich sagen, stimmt. Ohne ein Ansparguthaben kann man nicht starten. Als Traveller mit kleinem Budget kommt man mit einem Tagessatz von durchschnittlich 30,-€ aus. Das ist etwa soviel, wie man sonst zu Hause sowieso ausgibt, mit dem Unterschied, dass Reisende unterwegs keine Einnahmen haben. Der Tagessatz ist von Land zu Land sehr unterschiedlich, aber in den Ländern der sog. 3.Welt lebt man relativ preiswert auf niedrigerem Niveau. Vorausgesetzt die Kosten zu Hause laufen nicht weiter und man begnügt sich unterwegs mit weniger Luxus. Mit 30,-€ pro Tag und Person lebt man in diesen Ländern noch zigmal besser, als Einheimische, die mitunter in ihrem Land mit einem Dollar auskommen müssen. Ein Pauschalreisender, selbst der, der nur Dreisterne-Hotels bucht, kommt damit natürlich nicht aus.
Vor Abfahrt ist das Fahrzeug incl. Ausrüstung, die Krankenversicherung, das Carnet de Passage usw. zu finanzieren. Während der Reise braucht man mind. rd. 11.000,-€ (30,-€ x 365 Tage). Die muss man angespart haben, um 1 Jahr als Budget-Traveller ohne Einnahmen auszukommen.
Oder man hat mind. 220.000,-€ mit einer Anlagerendite von 5% p.A. fest angelegt, um 1 Jahr nur von den Zinsen zu leben. Aber so komfortabel sind wohl die wenigsten Budget-Traveller in jungen Jahren finanziell ausgestattet. Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einem Wert von z.B. 220.000,-€, können es als Sicherheit einsetzen und sich von einer Bank in diesem Fall eine monatliche Rente in Höhe 920,-€ auszahlen lassen. Diese Variante (Umkehrhypothek) ist für Rentner geeignet (Lebenserwartung von angenommen noch 35 Jahren und einem Zinssatz von 3.5% (V=20,0)), aber in Deutschland noch nicht verbreitet. Große Sprünge lassen sich damit in Deutschland sicher nicht machen, unterwegs in der dritten Welt kann man damit gut auskommen. Die Umkehrhypothek hat den Vorteil, dass man Eigentümer des Hauses bleibt und es während der Reise vermieten kann. Als Eigennutzer hat man anschließend wesentlich weniger Wohnkosten. Oder man verkauft das Haus, legt das Geld an und zahlt sich selbst eine Rente aus. Dann entfallen aber Mieteinnahmen und die Zeit, bzw. die Höhe der Rentenauszahlung verkürzt, bzw. verringert sich entsprechend.

Eine häufige Frage lautet: In der Welt passiert so viel,
Ist es nicht zu gefährlich, eine solche Reise zu machen?
Kurze Antwort: Nirgendwo auf der Welt passiert so viel, wie im Fernsehen, wo alle Katastrophen der Welt rund um die Uhr gesammelt werden. Katastrophenfernsehen statt Bildungsfernsehen, aber das ist hier nicht anders, als anderswo.
Dieser Blickwinkel aus dem Fernsehsessel trübt die Sicht. Unsere Erfahrung: nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Außer dem Autounfall in Usbekistan waren wir an keinen Katastrophen beteiligt. Manchmal hatten wir auch Glück und das Gefühl: Nach uns die Sintflut. Z.B. von den großen Bränden an der Wolga, haben wir im Nachhinein nur aus den Nachrichten erfahren. Die Panzer, die in Kirgistan infolge der Unruhen stationiert waren, haben wir noch gesehen. Ein paar Tage später, als wir schon in Tadschikistan waren, gab es anlässlich der Wahl wieder Unruhen und Tote in Osh. Auch in Syrien gab es Tote, als wir das Land gerade verlassen hatten. Wir waren noch am 8.März in Daraa, am 25.3.11 sind dort Panzer aufgefahren. Auch in Hama, eine Stadt, die uns sehr sympathisch war, sind später Panzer aufgefahren. Der Rückweg von Jordanien aus war abgeschnitten, aber damit hatten wir gerechnet. Im nach hinein haben wir erfahren, dass Traveller, die wir in Syrien und in Jordanien kennenlernten, den Weg zurück über Syrien gewählt haben, obwohl die Kämpfe dort schon gewütet haben. Das hat unsere Erfahrung bestätigt, dass man ohne differenzierte Betrachtung nicht weit kommt. Insgesamt sind wir gemessen an der Zeit (rd. 1 Jahr) und an den Kilometern (rd. 42.000 mit eigenem Fahrzeug) relativ glimpflich davongekommen. Natürlich haben wir die Katastrophen auch nicht blauäugig gesucht, sondern sind ihnen, wo es vorauszusehen war ausgewichen. Nötig dazu ist, dass man über politische Ereignisse informiert ist. Wenn es nach den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes gegangen wäre, hätten wir gar nicht erst los fahren dürfen. Andererseits sollte man auch diese kennen, um Gefahren soweit es möglich ist zu umfahren, oder wenigstens aus dem Weg gehen.

Ist das nicht eine zu große logistische Herausforderung? :
…. eine Reise über ein Jahr mit dem Auto durch Asien?
Kurze Antwort: Nicht einfach aber machbar. Nicht alles kann man vorausplanen. Die größte Herausforderung sind die Grenzübergänge. Von 21 Ländern hatten wir Visa für 2 Länder in 3 Monaten, als wir losfuhren. Mehr war nicht möglich. Für die restlichen Länder mussten wir den Grenzübergang live organisieren, d.h. in einer Hauptstadt Visa für die jeweils folgenden Länder beantragen. Visa bestimmen neben vielen anderen Faktoren vor allem den Verlauf der Reise. Erforderliche Visa und Beamte, die nur nach Vorschrift arbeiten, machen das Reisen oft zur Tortur, die aber auch schnell wieder hinter den schönen Erlebnissen zurückbleibt (s. auch im Blog zum Thema „Lustig ist das Travellerleben“). Die 41.900 km sind wir in 316 Tagen gefahren (ohne China), d.h. 133 km pro Tag. Für eine grobe Planung einer weiten Reise mit eigenem Auto (incl. aller Ruhetage) reicht diese Kennziffer. D.h. eine Rundreise um Afrika (der 2. Teil meiner geplanten Weltreise) ist etwa die gleiche Strecke (ohne größere Expeditionen außerhalb der Rundreise auf Hauptstraßen), d.h. in knapp einem Jahr machbar.
Im Fernsehen läuft gerade die Doku „Immer Ostwärts“. Ein Filmteam war 4 Monate von Berlin nach Wladiwostok unterwegs. Vorab haben wir das ARD-Team in der Urania erlebt. Sie sprachen von der großen logistischen Herausforderung. Die mussten wir meistern ohne Unterstützung eines großen Teams, im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten, ohne Dolmetscher und ortskundige Begleitung (mit Ausnahme des Fluges nach China als Pauschaltouristen). Das Roadmovie war natürlich beeindruckend, auch für uns, die fast die gleiche Strecke gefahren sind. Wir haben auch eine Menge Film- und Fotomaterial mitgebracht, aber nicht den Ehrgeiz und die Möglichkeiten, so ein Roadmovie herzustellen. Schaun wir mal, ob man etwas daraus machen kann. Das ARD-Team hat 10 Monate für den Schnitt gebraucht. Auch daran wollen wir uns nicht messen. Geld kann man damit jedenfalls nicht verdienen.

Wenn der Haushalt wieder steht, habe ich auch mehr Zeit die Eindrücke hier zu vervollständigen, bzw. neue hinzuzufügen. Auch bin ich dabei, für mich und die, die es interessiert, die ganz praktischen Erfahrungen für eine lange Reise zusammenzutragen.

Welche Resonanz hat der Blog? 12/11, 2/12
Den Blog zu schreiben, insbesondere während der Reise, war doch einigermaßen beschwerlich. Für wen und für was mache ich das? Habe ich mich selbst oft gefragt. Gemessen an den Kommentaren im Blog hat sich der Aufwand nicht gelohnt. Die meisten Kommentare gab es zum Thema „Wars das?“, als ich vom Bandscheibenvorfall in Russland, sowie vom PKW-Unfall in Usbekistan berichtet habe. Aus den Klicks im Blog (monatlich zwischen 320 und 1.270) jedoch kann man ableiten, dass Interesse vorhanden ist. Das am meisten gelesene Thema war lange Zeit „Die Idee“, also die Frage, wie kommt jemand darauf, ein Jahr im eigenen Auto rd. 42.000 km zu fahren. Inzwischen steht zu meiner besonderen Freude das Thema „Seine Weltsicht“ absolut an erster Stelle. In Verbindung mit Facebook brachte das Thema nach der Reise noch mal eine besondere Resonanz. Also hat sich die Mühe gelohnt.
Von den Reiseberichten stehen Nahost/Nordafrika an erster Stelle (Klicks pro Monat), gefolgt von Russland, China und Zentralasien. Erstere wahrscheinlich, weil unsere Reise dort von aktuellen politischen Ereignissen begleitet wurde. Von den Reiseberichten fanden die aus der Mongolei relativ wenig Interesse. Das steht nun wieder konträr zu unseren eigenen Erlebnissen. Berichte über die Vorbereitung der Reise, über Traveller, oder die Ausrüstung stehen im Mittelfeld. Der Bericht aus Russland von den gerade stattfindenden Fußballweltmeisterschaften fand am wenigsten Aufmerksamkeit. Dieser Bericht „Das Wars“, steht im Mittelfeld, weil er erst nach der Reise geschrieben wurde.

Was hat die Reise mit deiner Weltsicht zu tun? 2/12
Sehr viel. Neben den Reisethemen schreibe ich im Blog meine Meinung zum Thema Weltpolitik, weniger Kommunalpolitik. Darüber schreibe ich während der Reise, aber auch danach und zwischen weiteren Reisen (siehe zum Thema: „Seine Weltsicht“ und „Seine Weltsicht danach“). Meine Ansichten haben die Wende überlebt, d.h. sie haben sich vielleicht geändert, aber nicht gewendet. Sicher ist es ein Trugschluss anzunehmen, dass man einer Gesellschaft mit Gradlinigkeit so nützen kann wie sich selber. Mit Gradlinigkeit kann man höchstens trotzen. Auch wenn die Erkenntnis wächst, wenig bewirken zu können, gewinnt aber das Gefühl der Freiheit, sich selbst treu zu bleiben und die eigene Sprachlosigkeit zu beenden.
Warum schreiben über allgemeine Symptome, wie Krise, Kapitalismus, Arm und Reich? Ist das nicht alles so offensichtlich, dass man dazu nichts mehr sagen muss?
Mit dem Schreiben darüber wächst der eigene Abstand zur allgemeinen gesellschaftlichen Untätigkeit; zur Zuschauermentalität nach dem Motto: als Einzelner kann ich doch nichts ändern; zum Nihilismus gegenüber den schreienden Missständen in dieser Gesellschaft. Mir geht es um oben und unten, darum, wem es nützt und wer daran verdient. Bei diesen Fragen und der, wie man es ändert, fängt es an spannend zu werden.
Außerdem: Die Bestätigung, dass es Gleichgesinnte gibt, wenn auch nur eine Minderheit, ist essenziell. Wer seine Meinung nicht sagt, muss sich gefallen lassen, sie von jemand anderem serviert zu bekommen. Öffentlicher Raum, wie z,B, das Internet, ist eine der Quellen um Gleichgesinnte zu finden. Zudem ist es eine Quelle der Demokratie. Andererseits zeigt z.B. Occupy und Zuccotti, wie stark eingeschränkt die wahrhaft demokratische Nutzung öffentlicher Räume mitunter ist.
Das Wissen darüber, dass es Gleichgesinnte gibt, ist Bestätigung dafür, weiterzuschreiben. Wie diese Meinung hier: „Jede Gegenöffentlichkeit als Verschwörungstheorie zu bezeichnen, wäre zu einfach und letztendlich ein Erfolg der eindimensionalen Berichterstattung.“ (Hallo Ringo und danke).

Weitere Fragen werden vielleicht noch beantwortet:
Wo war es schönsten?
Wo würde man leben wollen?
Dazu vielleicht mal mehr nach dem 2. Teil der Weltreise (Afrika), oder nach dem 3. Teil (Amerika, geplante Abfahrt: 2014).

Hier geht es weiter mit dem 2.Teil der Weltreise „Rund um Afrika“, Start: 14.5.2012. http://afrikatrip.wordpress.com/

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